Gefährliche Annäherungen von Luftfahrzeugen, so genannte Aircraft Proximities (AIRPROX), kommen bei der hohen Dichte des Luftverkehrs über Deutschland immer wieder mal vor. Ihre Anzahl ist zum Glück gering, und nur selten kommt es zu einem wirklichen Kollisionsrisiko oder gar zu einem Zusammenstoß zweier Luftfahrzeuge.

Eine Luftfahrzeugannäherung (Aircraft Proximity, AIRPROX) ist eine Situation, bei welcher – nach der subjektiven Meinung des Piloten oder des Flugsicherungspersonals – die Sicherheit aufgrund der Entfernung zwischen den beteiligten Luftfahrzeugen unter Berücksichtigung der Geschwindigkeiten und relativen Positionen zueinander beeinträchtigt war. Solche Annäherungen werden entweder vom Flugsicherungspersonal, die solche Fälle unmittelbar im Rahmen ihrer Flugsicherungstätigkeit beobachten, in vielen Fällen aber auch von Piloten, überwiegend bei Flügen nach IFR, die sich durch die Annäherung eines anderen Luftfahrzeugs, meist im Flug unter VFR, gefährdet sehen, gemeldet.

Die AIRPROX werden, wenn sie gemeldet wurden, von der nationalen Aircraft Proximity Evaluation Group (APEG) analysiert und bewertet. Dabei werden Mitschnitte des Sprechfunkverkehrs und Radaraufzeichnungen ausgewertet und im Einzelfall auch weitere Stellungnahmen bzw. Anhörungen der Flugsicherung und vor allem, soweit möglich, auch von den beteiligten Piloten, eingeholt. Das Ziel ist es, Erkenntnisse über die Ursachen solcher Vorfälle zu gewinnen, um dadurch Wege aufzuzeigen, die einen zusätzlichen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit im Luftverkehr leisten können.

Schließich werden die Vorfälle nach vorgegeben Kriterien der ICAO in eine bestimmte Kategorie von A bis D eingestuft: A – Kollisionsgefahr, B- Sicherheit nicht gewährleistet, C – Keine Kollisionsgefahr, D – Gefahr nicht bestimmt.

Meldung von gefährlichen Luftfahrzeugannäherungen

Für die Meldung von gefährlichen Luftfahrzeugannäherungen (AIRPROX) steht den Piloten ein spezielles Anmeldeformular zur Verfügung. Hierüber informiert ausführlich der AOPA Safety Letter Nr. 59 „Meldungen von Ereignissen im Luftverkehr“ vom Februar 2022.

Weitere nützliche Informationen zum Meldewesen sind auch auf der Internetseite des Bundesamtes für Flugsicherung (BAF) unter der Rubrik „Meldesystem für sicherheitsrelevante Vorkommnisse“ zu finden.

Die APEG arbeitet weisungsungebunden als unabhängiges Gremium mit Experten u.a. aus Flugsicherungsorganisationen, Fluggesellschaften, Luftfahrtverbänden, Luftfahrtamt der Bundeswehr und dem Bundesaufsichtsamt der Flugsicherung (BAF).

Aus jedem Vorfall kann man lernen und Schlüsse für sein eigenes Flugverhalten ziehen. Deshalb hat die APEG nun erneut ein APEG-Magazin veröffentlicht mit beispielhaften Berichten zu Vorfällen mit gefährlichen Luftfahrzeugannäherungen.

Das APEG-Magazin 2022 ist zu finden unter:

https://www.baf.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen_BAF/Airprox_Magazin/2022.html?nn=1576222

Fehlerhafter Umgang mit der TMZ

Trotz der deutlichen Verbesserung der TMZ-Regeln und der Veränderung der Luftraumstruktur rund um Memmingen (EDJA) kam es im August 2021 erneut zu einer kritischen Annäherung.

Eine VFR fliegende Aquila kreuzte den Flugweg einer IFR anfliegenden Cessna in der Transponder Mandatory Zone (TMZ). Der gewünschte Schutz des IFR-Verkehrs in einer TMZ konnte nicht erreicht werden, da die Aquila nicht von der FIS-Frequenz auf die TMZ-Frequenz gewechselt ist.

Wie kam es zu dem Vorfall?

Bei schönem Wetter (EDJA: CAVOK, kein Wind) kreuzen sich die Flugwege in der TMZ Memmingen. Die Cessna flog gemäß einem eingereichten IFR-Flugplan von Mainz nach Memmingen, den sie mit einem ILS-Anflug auf die RWY 24 abschließen wollte. Die Aquila befand sich auf einem Flug von Innsbruck nach Mannheim. Die direkte Route führt die Aquila an der Kontrollzone Memmingen vorbei, aber durch die TMZ und durch den IFR-Anflugweg auf die RWY 24 in Memmingen. Die Cessna befand sich zum Zeitpunkt des Vorfalls seit ca. 10 min auf der Radar-Frequenz (129,450 Mhz) von München, während die Aquila seit ca. 20 min auf der FIS-Frequenz (126,950 Mhz) funkte. Der vorgesehene Wechsel von Transpondercode und Frequenz bei Einflug in die TMZ wurde von der Aquila nicht durchgeführt. Die Situation entwickelt sich sehr dynamisch, als (München) RADAR der Cessna den Radarvektor zum ILS-Anflug auf die RWY 24 erteilt. Dass die Aquila ein Konflikt darstellt, wird München RADAR an dieser Stelle bewusst und versucht eine direkte Ansprache, die jedoch erfolglos bleibt. Während des parallelen Telefonats zwischen RADAR und FIS zur Klärung der Intention der Aquila, erteilen FIS und RADAR jeweils Verkehrsinformationen. Die Aquila ändert ihren Flugweg daraufhin etwas, sodass sie nun einen noch größeren Konflikt darstellt. Es erfolgen weitere Verkehrshinweise sowohl von FIS an die Aquila als auch von RADAR an die Cessna. Leider hat aufgrund von Bewölkung in der Höhe kein Flugzeug das jeweils andere in Sicht. Zur Konfliktvermeidung weist RADAR der IFR-Cessna eine erhöhte Sinkrate an. Trotzdem kommt es zur Annäherung, und es wird ein AIPROX-Report erstellt. Die geringste Annäherung betrug 0,9 NM lateral und 400 ft vertikal.

In Deutschland sind RADAR und FIS getrennte Arbeitsplätze, die aber den gleichen Luftraum bearbeiten. Memmingen ist ein D(HX) Flugplatz mit IFR-Anflugverfahren, die durch einen TMZ- Luftraum geschützt werden sollen. Grundsätzlich handelt es sich auch bei einer TMZ um den Luftraum E. Die potenziell mögliche Ansprache von VFR-Verkehr durch RADAR im An-/Abflug- Bereich solcher Flugplätze soll durch den jeweiligen Transpondercode und das dazu gehörige Monitoring der entsprechenden RADAR-Frequenz gewährleistet werden. Dies wurde unter anderem aufgrund der Arbeit der APEG in den vergangenen Jahren eingeführt. Zusätzlich ermöglicht das Monitoring der RADAR-Frequenz auch dem VFR-Flieger ein besseres Situationsbewusstsein.

In diesem Fall hat es leider nicht geklappt. Die VFR-fliegende Aquila hatte zwar die FIS-Frequenz gerastet und sich dort auch angemeldet, aber den Übergang zur TMZ und der entsprechenden RADAR-Frequenz verpasst. Dadurch sind beide Möglichkeiten der Konfliktlösung in der TMZ verloren gegangen. Weder konnte RADAR proaktiv die Intention der Aquila abfragen, noch konnte die Aquila „erhören“, dass sich ein Flugzeug im Anflug auf Memmingen befand und damit ein Verkehrsproblem für sie darstellen konnte. RADAR konnte nur sehr umständlich ein komplettes Lagebild bekommen und elegante Konfliktlösungen waren aufgrund der Kommunikationsverzögerung über dritte (FIS) kaum sinnvoll möglich.

Quelle. Der Bericht wurde in leicht gekürzter Form (ohne Abbildungen) dem APEG-Magazin 2022 / BAF entnommen; mit freundlicher Genehmigung durch APEG / BAF.