Fliegen ohne Flugleiter
Türmer adé

Mit der Novellierung des Feuerlösch- und Rettungswesens an Landeplätzen ist eine Grundlage für das Fliegen ohne Flugleiter geschaffen. Bis es so weit ist, kann allerdings noch einige Zeit vergehen.

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Foto: Ole Kremer

Es glich einer kleinen Sensation, was vor einigen Wochen während der AERO Friedrichshafen vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr bekannt gegeben wurde: In der am 20. April veröffentlichten NfL 2023-1-2792 erließ die Behörde "Gemeinsame Grundsätze des Bundes und der Länder über das Feuerlösch- und Rettungswesen auf Flugplätzen". Gleichzeitig wurde die NfL-I-72/83 aufgehoben. Künftig muss keine Person mehr während des Betriebs am Flugplatz vor Ort sein, die in die Bedienung des Rettungsgeräts eingewiesen ist.

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Eine der Hürden für die Abschaffung der Flugleiterpflicht ist damit gefallen. Mehr als ein Jahrzehnt kämpft der Flugzeugeigner- und Pilotenverband AOPA dafür. Michael Erb, Geschäftsführer der AOPA Germany, erinnert sich noch gut. "Es ist jetzt 15 Jahre her, dass wir beim Verkehrsministerium erstmals versucht haben, die Flugleiterpflicht abzuschaffen." Die Antwort sei ernüchternd gewesen und irgendwie typisch deutsch: Man richte sich nach den ICAO-Standards, und die forderten eben die Bereitstellung von Rettungs- und Feuerlöschgerät, nebst Bedienpersonal. Basta. "Ich fragte an, was denn wäre, wenn dieser Passus aus den Vorgaben der ICAO gestrichen wäre", erzählt Erb. Dann könne man ja nochmal darüber reden, sei die Antwort gewesen.

Regeländerung nach zwölf Jahren

Nun gleicht der Versuch, eine Änderung der ICAO-Regularien zu erreichen, dem Bohren ganz dicker Bretter: Eine Novellierung des Annex 14 – dort geht es unter anderem um die Feuerlösch- und Rettungsdienste – durchläuft bei der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation zahllose Arbeitsgruppen; immer wieder werden dabei Details diskutiert, verhandelt und neugefasst. Kaum zwölf Jahre später hatte Erb, mit Hilfe seiner Kollegen des internationalen Dachverbands IAOPA, das Ziel erreicht: Am 15. Juni 2021 veröffentlichte die ICAO die lang ersehnte Änderung. Inhalt des neugefassten Rechtstextes: Der übliche Betrieb der Allgemeinen Luftfahrt ist künftig von der Vorschrift ausgenommen, eine Person vorzuhalten, die im Notfall Hilfe rufen und das Lösch- und Rettungsgerät bedienen kann.

Lars Reinhold
Die Aufhebung der NfL über das Feuerlösch- und Rettungswesen auf Flugplätzen ist ein Schritt hin zum Fliegen ohne Flugleiter.

Die neue Regelung für das Feuerlösch- und Rettungswesen ist allerdings nur ein Baustein auf dem Weg zum Fliegen ohne Flugleiter. Denn in vielen Flugplatzgenehmigungen sind weitere Aufgaben aufgeführt, die ein Flugleiter zu erfüllen hat. Der muss beispielsweise des Hauptflugbuch führen oder den verkehrssicheren Zustand der Piste überprüfen. Je nachdem, welche Landesluftfahrtbehörde zuständig ist, können die Auflagen variieren. In Hessen beispielsweise ist an zahlreichen Plätzen schon jetzt das Fliegen ohne Flugleiter möglich, solange eine eingewiesene Hilfsperson für Lösch- und Rettungsaufgaben vor Ort ist. Solche Plätze könnten nun die Streichung dieser Auflage in der Zulassung beantragen.

Flughafen Stuttgart
Feuerwehren sind an Flughäfen und Verkehrslandeplätzen eine unabdingbares Element der Sicherheit in Notfällen. An kleinen Landeplätzen und Segelfluggeländen hingegen ist ihr Nutzen umstritten.

Kostendruck durch Flugleiterpflicht

Das will auch der Verkehrslandeplatz Landshut in Bayern, bei dem ebenfalls eine derartige Regelung für dort stationierte Flugzeuge gilt. Am liebsten würde man auch die Flugleiterpflicht schnellstmöglich loswerden, bestätigt Rainer Bernd, Gesellschafter des Flugplatzbetreibers Landen in Landshut GmbH. Denn um diese Auflage für die Platzgenehmigung erfüllen zu können, sind vier Vollzeitstellen nötig. "Wir stehen dadurch unter einem gewissen Kostendruck", sagt Bernd. Sich von der Flugleiterpflicht zu befreien, hieße ja auch nicht, den Flugleiter pauschal abzuschaffen, sagt er. "An Wochenenden mit viel Verkehr kann er nach wie vor hilfreich sein."

In den allermeisten Ländern der Welt ist das Fliegen ohne Flugleiter gelebter Alltag. Schon bei unseren Nachbarn in Frankreich ist an vielen Plätzen niemand am Boden, der sich für den Verkehr in der Luft interessiert. Wer einmal in den USA geflogen ist, der weiß, wie unproblematisch das Starten und Landen in Eigenregie ist. Um die Piste zu überprüfen, wird der Platz vor der Landung überflogen, die Landerichtung lässt sich dabei mit einem Blick auf den Windsack ermitteln. Alles kein Hexenwerk.

Sprechfunk von Pilot zu Pilot

Einer der Gründe für den reibungslosen Betrieb selbst bei hohem Verkehrsaufkommen ist der disziplinierte Sprechfunk, den US-Flugschüler dort von Beginn ihrer Ausbildung an gelehrt bekommen. Schon im Anflug werden Position, Höhe und Vorhaben gemeldet. Und kein amerikanischer Pilot käme auf die Idee, je ein einziges Segment der Platzrunde bei seinen Positionsmel-dungen auszulassen. Da spielt es auch gar keine Rolle, ob im Funk noch andere zu hören sind oder man selbst das vermeintlich einzige Flugzeug in Platznähe ist. Gleiches gilt beim Start. Rollbewegungen werden genauso gemeldet wie die geplante Abflugroute nach dem Abheben. Und gibt es Abstimmungsbedarf, sprechen sich die Piloten am Funk untereinander ab. Alles ganz selbstverständlich.

Lufthansa Aviation Training
An Flugplätzen in den USA sorgt hoch disziplinierter Funkverkehr unter den Piloten für eine Reibungslose Abwicklung des Flugbetriebes - ganz ohne Flugleiter.

EASA stutzt über Flugleiter

Die Abschaffung der Flugleiterpflicht wird unter anderem von der EASA beflügelt. Dabei geht es um die Informationen, die Flugleiter dem Platzverkehr über Funk geben. Denn nach EASA-Regularien sind an einem Platz lediglich drei Möglichkeiten für die Erfüllung von Flugsicherungsdiensten vorgesehen: die Flugverkehrskontrolle durch einen Lotsen, die Bereitstellung von Flugplatzinformationen durch einen zertifizierten Platzinformationsdienst (Aerodrome Flight Information Service, AFIS) – oder eben keines von beiden. Einen Flugleiter sehen die EASA-Bestimmungen gar nicht vor, weswegen dessen Rolle in einem Audit beleuchtet wurde. Das Ergebnis: Die Tätigkeiten überschnitten sich im Praxisalltag oft mit solchen, die eigentlich nur den zertifizierten AFIS-Diensten vorbehalten waren.

Für Schweizer Flugleiter hat das dort zuständige Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) deshalb bereits 2021 eine Richtlinie herausgegeben. Deren Inhalt beschränkt die Informationen, die ein Flugleiter über Funk geben darf. Beispiele gefällig? Die Angabe von konkreter Windrichtung und -geschwindigkeit ist demnach gleichermaßen nicht gestattet wie die des QNH, der Temperatur oder des Taupunkts. Allenfalls "Starker Wind aus Westen" ist erlaubt. Ebenso wenig gehen Aufforderungen zum Durchstarten und Freigaben zum Rollen oder Queren einer Piste. Selbst "Eine Maschine befindet sich im Queranflug" überschreitet nach den Richtlinien bereits die Kompetenz des Flugleiters.

Arbeitsgruppe schafft Rahmen

Angesichts der so eingeschränkten Kompetenzen des Flugleiters ist eine Aufweichung der Pflicht dazu nur noch eine Frage der Zeit. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Landesluftfahrtbehörden und des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr befasst sich derzeit damit, wie die Flugleiterpflicht künftig liberalisiert werden kann. Ähnlich wie bei den "Gemeinsamen Grundsätzen des Bundes und der Länder über das Feuerlösch- und Rettungswesen auf Flugplätzen" soll das Ergebnis eine Richtlinie sein, die künftiges Fliegen ohne Flugleiter regelt.

Unter den zahlreichen Dingen, die dabei geklärt werden müssen, ist beispielsweise, inwiefern das Fliegen ohne Flugleiter künftig auch in der Pilotenausbildung berücksichtigt werden soll. Oder, welche der in bisherigen Betriebsgenehmigungen festgelegten Flugleiteraufgaben entfallen können oder wie diese künftig erfüllt werden können. Hat die Arbeitsgruppe ihre Ergebnisse zusammengetragen, müssen diese anschließend durch die Landesluftfahrtbehörden in entsprechende Genehmigungen einfließen. Bis zur endgültigen Liberalisierung der Flugleiterpflicht kann es deshalb noch einige Zeit dauern.

Die Zwischenzeit nutzen

Die meisten Plätze müssen deshalb noch mit ihrem Antrag auf Änderung der Betriebsgenehmigung warten. Allerdings könne man die Zeit bis dahin nutzen, um die technischen Voraussetzungen zu schaffen, rät Guido Frey von der Interessensgemeinschaft Fliegen ohne Flugleiter. Zum einen muss das Rettungsgerät an die neuen Regelungen angepasst werden, zum anderen muss sich jeder Platzbetreiber Gedanken über die Führung des Hauptflugbuchs und die Überwachung des sicheren Betriebszustands der Piste machen.

Abhängig von Platzgröße und Verkehr kann dies von einer einfachen Kladde und einer wöchentlichen Kontrollfahrt über die Piste bis zu einem hochautomatisierten Überwachungssystem (siehe Kasten Seite 64) reichen. Bis zum endgültigen "Go" gibt es also noch genug zu tun.

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Erscheinungsdatum 21.03.2024